Alois Pumhösel war beim Eiskletter-Festival „Eis Total“ dabei und berichtet von seinen Erlebnissen:
Es ist ein Bild, wie man es nicht oft sieht: breite Eisfälle, gefrorene Kaskaden, wuchernde Zapfen über zig Meter entlang der hoch aufragenden Wände einer schmalen Schlucht. Hinter der nächsten Biegung wiederholt sich die Szenerie: mehr Eis, steil oder flach, in grotesken Formen wachsend oder kombiniert mit Felsflanken. Wir sind nicht alleine hier: Am Kletterevent „Eis Total“ im Pitztal nahmen 200 Kletterer teil. Alle paar Meter hängen Seile an den Eisflanken, fix verankert in der Höhe. Die Kletterer, die daran hängen, arbeiten sich mühsam die Eistürme hinauf. Eisgeräte werden eingeschlagen, steigeisenbewehrte Fußspitzen arbeiten sich in die spröde Masse; darunter, in Reih und Glied, die Sichernden, die Obacht geben. Mein Freund Bernhard und ich sind mitten unter diesen Eiskletterern und versuchen möglichst viele Linien unter diesen gesicherten Verhältnissen aufzusteigen.
Für Erfahrene und Anfänger
Eisklettern ist üblicherweise nur erfahrenen Alpinisten vorbehalten. Das Eis muss richtig eingeschätzt, Eisschrauben gekonnt eingeschlagen, Stände fachkundig gebaut werden. Doch einmal im Jahr wird das Pitztal zur Arena für all jene, die erste Schritte im Eis unter kontrollierten Bedingungen machen wollen. Das Eiskletterfestival „Eis Total“ verwandelt dann die Taschachschlucht weit drinnen im Tal sowie eine Reihe von Eisfällen in Eiskletter-Testgebiete. Für uns war es zwar nicht das erste Mal am Eis, aber eine gute Gelegenheit, etwas Sicherheit in der Handhabung der Eisgeräte zu gewinnen.
Internationale Gäste
An die 200 Teilnehmer waren heuer im Jänner dabei. Nicht alle seien Anfänger, sagt Walter Zörer vom Bergevent-Unternehmen mc2alpin, das hinter der Veranstaltung steht. Auch Profis kommen hierher, um das neueste Material, das die Hersteller bei dieser Gelegenheit zur Verfügung stellen, in der Praxis zu testen. Die Zielgruppe sei breit gefächert. Manche sind Stammgäste und nehmen lange Anreisezeiten aus Deutschland, Italien oder den Niederlanden auf sich. Nächstes Jahr, im Jänner 2020, steht ein Jubiläum an: die zwanzigste Ausgabe von „Eis Total“. „Dabei wird es ein paar kleine Überraschungen geben“, verspricht Zörer.
Eisklettern: kein Breitensport
200 Eiskletterer, das wird auch das Limit für zukünftige Events bleiben, sagt der Organisator. „Damit haben wir den Plafond erreicht.“ Was nicht an der Zahl interessierter Leute liegt – die Events, bei denen man sich jeweils ab Oktober anmelden kann, sind rasch ausgebucht. Aber man komme an organisatorische Grenzen. Zum Breitensport tauge die Eiskletterei ohnehin nicht.
Denn auch wenn das Interesse in den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren stark angestiegen sei, und auch wenn die Entwicklung des Materials seit den 1990er-Jahren große Sprünge gemacht habe – Eisklettern ist und bleibt eine Aktivität für Spezialisten, schränkt Zörer ein, der bereits in den 1980er-Jahren im Alter von 15 Jahren seinen ersten Eisfall bezwang. „Man kann es mit dem alpinen Klettern vergleichen. Sportklettern als Breitensport üben viele aus. Aber nicht viele haben das Know-how, um sich tatsächlich ins Alpine vorzuwagen.“ Zeitfenster und Möglichkeiten fürs Eisklettern sind zudem eingeschränkt.
Der Eismacher
An einer der Eiswände in der Taschachschlucht treffen wir auf Alfred Dworak. Der Eiskletterprofi ist einer der Bergführer, die das Treiben am Eis hier überwachen. Er war es auch, der einen Teil der Schlucht künstlich vereist hat, um die Klettermöglichkeiten zu erweitern. Unterstützt vom TVB Pitztal hat er sich seit November darum gekümmert, ausgesuchte Wände der Schlucht in geeigneter Form zu vereisen, indem er gezielt Wasser über die Felsen leitete. Geht es nach ihm und dem „Eis Total“-Team, soll das künstliche Eis in der Schlucht zur fixen Einrichtung in zukünftigen Wintern werden.
Drytoolen auf dem Vormarsch
Neben den Eis- und Mixed-Klettereien gewinnt auch das Drytoolen an Popularität, also das Klettern mit speziellen Pickeln und Steigeisen am Fels oder auf künstlichen Wänden. Auch das versuchen wir hier in der Taschachschlucht an eigens von den Bergführern präparierten Wänden. Die Bewegungstechnik sei jener am Wasserfall sehr ähnlich, betont Paul Mair, Mit-Organisator und Partner von Walter Zörer bei mc2alpin, der die Kletterei hier betreut. Sauber und exakt greifen und steigen, ist das Motto. „Rutscht man weg, ist der eine oder andere Zahn gleich einmal ausgeschlagen“, warnt Mair. Gewöhnungsbedürftig und kraftraubend, so unser Urteil nach dem ersten Versuch. Von einer „Figure of four“, jener akrobatisch anmutenden Kletterbewegung, bei dem man das Bein über den Arm legt, der das eingeschlagene Eisgerät hält, sind wir noch weit entfernt. Immerhin: Wir schaffen es, uns nicht selbst zu verletzen.
Nicht verpassen: „Eis Total 2020“
Ab 15. Oktober ist die Anmeldung für „Eis Total 2020“ offen. Teilnehmer sollten schnell buchen. Erfahrungsgemäß sind die Plätze in sehr kurzer Zeit vergeben.
Mehr Infos erhalten Interessierte unter www.eis-total.at.
Aktuelle Informationen zu den Konditionen an den Pitztaler Eisfällen stellt Bergführer und Eiskletterprofi Alfred Dworak zur Verfügung: www.alpine-adventure.at