E-Bike & Climb in Tirol. Foto: Nodum Sports

E-Bike & Climb: „Im Sommer schrumpfen die Berge“

Wo liegen die Wurzeln des E-Bike & climb in Tirol, was macht die Magie aus? Gespräch mit einem, der es wissen muss: Christian „Picco“ Piccolruaz.

Wenn man über die Ursprünge der Kombination von motorisiertem Radfahren und Klettern – im Neusprech „E-Bike & Climb“ – nachdenkt, kommt man in Tirol an einem Mann nicht vorbei: Christian Piccolruaz. Den „Picco“, wie er hier von allen genannt wird, sowohl als Pionier des Mountainbikens als auch als Pionier des Kletterns zu bezeichnen, wäre in beiden Bereichen nicht übertrieben.

Portrait Picco. Foto: Christoph Malin
Portrait Picco. Foto: Christoph Malin

Seit 1991 ist er Bike-Guide, im Jahr 2000 wurde er österreichischer Downhill-Meister. Außerdem hat er als Stuntdouble in Filmen mitgewirkt. Wenn man sich Videos ansieht, in denen Picco mit seinem Bike überall rauf und runter fährt, dann weiß man, dass er weiß, was er tut. Auch als Kletterer hat er sich einen Namen gemacht: Seit 1997 ist er Bergführer und mittlerweile auch Ausbilder für Bergführer im Bereich Eisklettern. Er ist Mitglied im Lehrteam des Alpenvereins und im Athletenteam des Climbers-Paradise Partners Austrialpin. Picco bringt also jede Menge Erfahrung mit und wer, wenn nicht er, muss es wissen: Wo liegen die Ursprünge von E-Bike & Climb in Tirol?

Christian Piccolruaz in seiner Route "Chief Pinnis" (7+/8-). Foto: Peter Manhartsberger
Christian Piccolruaz in Action: Erstbegehung von “Chief Pinnis” (7+/8-) im Pinnistal. Foto: Peter Manhartsberger

Picco erklärt:

“In der Tat waren die Kletterer unter den Ersten, die das E-Bike genutzt haben, um schneller an den Einstieg zu kommen. Auch in Tirol, sei es Reini Scherer, Heinz Zak oder Benni Hangl. Mittlerweile hat fast jeder meiner Kletterkollegen ein E-Bike, weil es einfach so praktisch ist!”

Die Vorliebe der Kletterer für die Zweiräder hat sich an einer besonderen Wand im Karwendel sogar in den Namen der Routen verewigt: An der Repswand findet man den „Bike 2 Crack“ (9) aus dem Jahr 2006, gefolgt vom „Single Trail“ (8-/8) aus dem Jahr 2008 und später – ganz im Zeitalter der E-Bikes angekommen – den „Männer mit Motoren“ (8-) aus dem Jahr 2016.

An der Repswand im Karwendel. Foto: Simon Schöpf
Trägt viel E-Bike in den Routennamen: Die Repswand im Karwendel. Foto: Simon Schöpf

Die Berge schrumpfen

Doch auch für den überzeugten Downhiller Picco dauerte es einige Jahre, bis er die Vorteile der Motorunterstützung am Rad erkannte. “Ich erinnere mich noch gut: Das war in einer Phase, als ich nach über 25 Jahren Mountainbiken etwas müde vom Sport war. Dann habe ich mir für ein Wochenende eines dieser neuen E-MTBs ausgeliehen und bin in diesen zwei Tagen viermal gefahren, während ich zwischendurch schnell die Akkus aufgeladen habe. Es war, als würde man mit 100 km/h Rückenwind fahren, ein ganz neues Gefühl. Die Begeisterung war zurück!”

Seitdem ist Picco begeistert und fährt in die Kletterarena Seegrube, ins Schüsselkar und im Winter sogar zum Eisklettern ins Pinnistal. Doch eine Frage bleibt: Ist es eigentlich ethisch vertretbar, mit dem E-Bike in die Berge zu fahren?

Picco beim Eisklettern im Pinnistal. Zum Eisfall kam er mit dem E-Bike. Foto: Christoph Malin
Picco beim Eisklettern im Pinnistal. Zum Eisfall kam er mit dem E-Bike. Foto: Christoph Malin

Picco:

“Beim Mountainbiken geht es in erster Linie um die Frage, ob ich den Berg aus eigener Kraft hochfahre oder mich unterstützen lasse. Aber für Kletterer stellt sich diese ethische Frage eigentlich nicht, die wollen einfach nur schneller an der Wand sein! Für mich steht aber fest: Mit dem E-MTB schrumpfen die Berge im Sommer”.

Neue Potenziale erschließen

Christian Piccolruaz in seiner Route "Chief Pinnis" (7+/8-). Foto: Peter Manhartsberger
Christian Piccolruaz in seiner Route “Chief Pinnis” (7+/8-). Foto: Peter Manhartsberger

Man könnte auch sagen: Der Aktionsradius erweitert sich enorm. Denn plötzlich werden auch höher gelegene Klettergärten interessant, in die früher niemand für ein paar Routen gefahren wäre, weil sie einfach zu weit weg waren.

“Ich schätze, dass sich das Felspotenzial in Tirol durch das E-Bike mindestens verdoppelt. Jetzt können Gebiete erschlossen werden, die vorher völlig unzugänglich waren. Auch für Erstbegehungen, bei denen man mit Friends und Bohrmaschine viel schweres Gepäck im Rucksack hat, ist das motorisierte Rad genial. Denn mit 25 Kilo auf dem Rücken macht es schon einen Unterschied, ob man alles selbst hochschleppen muss oder mit Turbo nach oben fährt”.

Downhiller mit Motor: Picco steil unterwegs. Foto: Christoph Malin
Downhiller mit Motor: Picco steil unterwegs. Foto: Christoph Malin

Eines liegt dem langjährigen Mountainbike-Trainer Picco noch am Herzen:

“Die Fahrtechnik muss absolut beherrscht werden. Gerade beim Klettern mit dem ganzen Material im Rucksack darf man wirklich nicht stürzen. Oft ist man auf sehr holprigen Trails unterwegs. Deshalb würde ich jedem ein Fahrtechniktraining wärmstens empfehlen. Das ist gut investierte Zeit.”

E-Bike & Climb: Die Packliste

Was benötigt man für ein E-Bike & Climb-Abenteuer? Picco empfiehlt allen Interessierten ein gut gewartetes Fully (Full-Suspension-Bike) mit guter Federung, starken Bremsen und dicken Reifen für die oft holprigen Zustiege. Es ist auch von essentieller Bedeutung, für den Fall einer Reifenpanne vorbereitet zu sein:

  • Pumpe
  • Ersatzschlauch
  • Mini-Tool
  • Erste-Hilfe-Set
  • Helm (meistens der Kletterhelm)
  • Handschuhe
  • Fahrradschloss
Packliste: Das brauchst du für E-Bike & Climb. Foto: Christian Piccolruaz
Packliste: Das brauchst du für E-Bike & Climb. Foto: Christian Piccolruaz

E-Bike & Climb in Tirol

Wo man in Tirol am besten sein E-Bike & Climb-Abenteuer beginnt, ist auf dieser Seite zusammengefasst. Mittlerweile bieten auch einige Tourismusverbände organisierte Touren mit Bergführern und E-Bike-Verleih an, für alle, die diese Aktivität einmal ausprobieren möchten. Aber Vorsicht: Es kann süchtig machen. Man muss sich nur den Picco anschauen.