Corona Ansteckung am Fels - Bouldern im Silvapark, Galtür, Foto: Simon Schöpf | Climbers Paradise
Bouldern im Silvapark, Galtür, Foto: Simon Schöpf

Klettern in Zeiten von Corona: Kann ich mich am Fels anstecken?

Das derzeit alles dominierende Thema geht natürlich auch an uns Kletterern nicht spurlos vorbei. Die Verunsicherung ist in weiten Teilen der Bevölkerung groß, Expertenmeinungen gehen auseinander, die Medizin lernt dieses neue Virus erst kennen. Wir baten deshalb Dr. Rouven Hornung von der Universitätsklinik Innsbruck um seine Einschätzung, wie sich das Coronavirus auf unsere Klettertätigkeiten auswirkt und welche Vorsichtsmaßnahmen tatsächlich sinnvoll sind.

Eines vorweg: Auch wenn bestmögliche Sicherheit eines der Leitkriterien des Climbers Paradise ist, können Unfälle natürlich nie gänzlich ausgeschlossen werden. Die Politik und der Alpenverein appellieren deshalb eindringlich an FreizeitsportlerInnen, potenziell risikoreiche Sportarten derzeit zu unterlassen. Grund dafür ist die aufwändige und teure Rettungskette, die bei Unfällen zum Einsatz kommt. Auch werden die Kapazitäten in den Krankenhäusern für Covid-19-PatientInnen benötigt. Da sich die Verordnungen derzeit häufig ändern, bitte auf oesterreich.gv.at über den Letztstand informieren!

Corona Ansteckung am Fels - Klettern Dschungelbuch, Martinswand, Foto: Simon Schöpf | Climbers Paradise
Sportklettern und Coronavirus – worauf müssen wir aufpassen? Foto: Simon Schöpf

Klettern & Corona: Dr. Rouven Hornung im Interview

Climbers Paradise: Seilklettern ist zwangsläufig ein Partnersport. Wo und wie ist man beim Sportklettern einer potenziellen Infektion ausgesetzt?

Dr. Hornung: Prinzipiell ist eine Tröpfcheninfektion durch Aerosole meines Erachtens nach am wahrscheinlichsten durch den doch zeitweise sehr engen Kontakt, zum Beispiel beim Spotten, Partnercheck und am Standplatz. Grundsätzlich gibt es bei Viren die Kontamination durch direkte Aerosole oder – viel seltener – durch aerosol-kontaminierte Oberflächen. Diese Erkenntnis beruht auch auf fundierten wissenschaftlichen Studien zu vergangenen Corona-Epidemien (SARS/MERS). Aktuell konnte bei aktiven Ausscheidern von Coronaviren, also während des Krankheitsbeginns, eine relevante Kontamination des Bodens festgestellt werden. Das verweist auf eine Ausscheidung von Aerosolen, die dann langsam zum Boden herabsinken. Diese Erkenntnis ist dementsprechend auch für das Sportklettern eben nicht irrelevant.

Stichwort Schmierinfektion: Ist es theoretisch möglich, sich an am Fels „festklebenden“ Viren anzustecken, wenn man die gleichen Griffe anfasst? Muss ich davor Angst haben?

Klettern Ötztal Niederthai | Climbers Paradise. Foto: Simon Schöpf
Abgegriffen: Kann an einem Henkel ein Virus lauern? Foto: Simon Schöpf

Dr. Hornung: Theoretisch kann man das nicht ausschließen, allerdings ist das höchst unwahrscheinlich. Auch wenn das Virus nachweislich bis zu drei Tagen auf Metall- oder Plastikoberflächen überlebt, muss dort erst einmal eine infektiöse Dosis hinkommen und dann auch vom Nächsten mitgenommen werden, was an Naturfels wahrscheinlich noch einmal unwahrscheinlicher ist als in der Halle. Generell ist dies sicher nicht der Hauptübertragungsweg und beim Outdoor-Klettern vernachlässigbar. Im Indoorbereich mit gemeinsamen Umkleiden und Sanitärräumen ist dieser Übertragungsweg aber sicher nicht vollständig zu ignorieren.

Was wären sinnvolle Maßnahmen, um sich vor einer potenziellen Infektion beim Sportklettern zu schützen?

Dr. Hornung: Das Tragen eines Mundschutzes ist mit Sicherheit sinnvoll. Eventuell ist für den Sicherungspartner auch eine Sportbrille/umschließende Sonnenbrille sinnvoll, um die Augen als potenzielle Eintrittspforte für das Virus zu schützen, da sich der Kletterpartner ja oft direkt über einem befindet. Außerdem sollte Händedesinfektionsmittel (z.B. ein Gel) mitgeführt und regelmäßig angewendet werden (das schützt übrigens auch vor anderen möglichen Kontaminationen durch Reste von Tierausscheidungen, zum Beispiel von Gämsen).

Ein Mundschutz macht also auch beim Klettern Sinn?

Dr. Hornung: Der Mundschutz macht überall Sinn, wo ein maximaler Abstand einfach nicht einzuhalten ist, und schützt andere vor Kontamination durch einen selbst. Man beachte auch hier wieder, dass der Hauptübertragungsweg immer noch die Aerosolbildung beim Sprechen, Husten, Niesen ist. Beim Sport kann diese Aerosolbildung und Verteilung durch verschiedene Faktoren wie Fahrtwind und verstärkte Atmung theoretisch erhöht sein, wie jetzt belgische Forscher für das Joggen nachgewiesen haben. Diese Ausscheidung wird bereits durch einen ganz normalen Mundnasenschutz aus Stoff signifikant verringert.

Ist es in diesen Zeiten vernünftiger, allein Bouldern zu gehen, weil weniger Kontakt zu potenziellen Erkrankten besteht?

Lieber nicht allein abhängen: Bouldern im Silvapark hoch über Galtür, Foto: Simon Schöpf

Dr. Hornung: Das halte ich aus Sicherheitsgründen für nicht empfehlenswert. Klettern ist und bleibt ein Risikosport, der nicht allein ausgeübt werden soll. Schon allein deshalb, damit im Falle einer Verletzung jemand da ist, der Hilfe rufen kann. In der Halle ist zudem ein Kontaminationsrisiko durch die räumliche Enge deutlich höher.

Hat die Verwendung von Chalk eine Auswirkung auf eine potenzielle Übertragung?

Dr. Hornung: Grundsätzlich gibt es dazu keine harten Daten, aber Aerosole sind immer infektiöser, je größer und feuchter sie sind. Dementsprechend könnte eine ausgetrocknete Oberfläche ungünstig sein für das Überleben von Coronaviren. Hierzu kann ich aber leider keine gesicherten Daten bieten.

Gibt es abschließend noch einen Tipp vom Experten?

Dr. Hornung: Größere Klettergruppen sollten dementsprechend auch noch weiterhin vermieden werden, auch wenn das Soziale am Fels ein großer Spaßfaktor bei der Sache ist. Und bleiben wir positiv: Die Pandemie wird vorübergehen, die Felsen bleiben!

Vielen Dank für das Interview und hoffentlich auf bald am Fels!


Klettern und Corona - Dr. Rouven Hornung beim Klettern in den Kalkkögel, Foto: Dr. Rouven Hornung | Climbers Paradise

Zur Person: Rouven Hornung ist Assistenzarzt in der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin der Uniklinik Innsbruck und begeisterter Bergsportler, der auch gerne mal im moderaten Fels kletternd unterwegs ist. Geforscht hat er bisher primär im Bereich der Wiederbelebung und der Schwerverletztenversorgung. Außerdem ist er in der studentischen Lehre der Abteilung aktiv und zurzeit auf einer Intensivstation für Coronapatienten in Innsbruck im Einsatz. Er hat sich im Rahmen einer beruflichen Reise nach Dänemark selbst mit Corona infiziert und ist mittlerweile wieder genesen.


Quellen:

  • Ong SWX, Tan YK, Chia PY, et al. Air, Surface Environmental, and Personal Protective Equipment Contamination by Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus 2 (SARS-CoV-2) From a Symptomatic Patient. JAMA. 2020.
  • Chowell G, Abdirizak F, Lee S, et al. Transmission characteristics of MERS and SARS in the healthcare setting: a comparative study. BMC Med. 2015;13:210. 
  • Kampf G, Todt D, Pfaender S, Steinmann E. Persistence of coronaviruses on inanimate surfaces and their inactivation with biocidal agents. J Hosp Infect. 2020;104(3):246-251.
  • Young BE, Ong SWX, Kalimuddin S, et al. Epidemiologic Features and Clinical Course of Patients Infected With SARS-CoV-2 in Singapore. JAMA. 2020.

Good to know: Sind Klettergärten Sportstätten?

Nein. Klettergärten sind aus juristischer Sicht „Wege“, keine „Sportstätten“. Wenn derzeit der Betrieb von Sportstätten untersagt ist und Betreiber entsprechende Hinweise anbringen müssen, so gilt das nicht für Klettergärten. Sektionen, die Halter von Klettergärten sind, müssen diese also nicht sichtbar „sperren“. Selbstverständlich gilt weiterhin der Appell, auf bergsportliche Aktivitäten zu verzichten!
Weitere Informationen zur rechtlichen Einordung von Klettergärten siehe: Handbuch Klettergarten – Errichtung, Sanierung, Wartung von Klettergärten und Bouldergebieten (Seite 19 ff.).