Die Mehrseillängenroute EndeNie der Loferer Steinberge, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Die Mehrseillängenroute „EndeNie“ in den Loferer Steinbergen, Foto: Thomas Schöpf

Felsmarathon durch die Loferer Steinberge

Die längste Wand im Wilden Kaiser? Kleine Halt-Nordwestwand, 1000 Klettermeter auf 24 Seillängen („Via Aqua“). Die „Freier als Paul Preuß“ am Hochkönig? 1150 Klettermeter, 28 Seillängen. Die berühmte „Don Quixotte“ an der epischen Marmolada-Südwand? 800 Meter, 20 Seillängen. Und was haben die Loferer Steinberge zu bieten? An der Breithorn-Nordostwand: 1600 Klettermeter, 38 Seillängen. Na bumm.

„EndeNie“ – die Mehrseillängenroute in den Loferer Steinbergen

Achtunddreißig Seillängen. Oder eher: 38 Seillängen mit Bohrhaken in der Bergsportregion Steinberge! So eine Tour sucht in den Nördlichen Kalkalpen ihresgleichen, deshalb könnte der Name auch kaum passender ausfallen: „EndeNie“. Nomen est omen, aber wer unter dieser Wand steht, der sagt wohl erstmal: Amen.

Der Blick von unten auf die bevorstehende Route, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Ganz Oben wird’s nochmal richtig steil: Die Headwall der EndeNie, Foto: Thomas Schöpf

Während im Osten des Strubtals die kompakten, sieben Kilometer langen Kalkwände der Loferer Steinplatte ihr Sonnenbad genießen, ist die Szenerie im Westen eine gänzlich andere: Hoch, alpin und schattig präsentieren sich die Nordabbrüche des Loferer Steinbergs. Lokalmatador und Erschließer der EndeNie, Adi Stocker, beschreibt die Wand mit folgenden Worten: „Es scheint, als ob uns der Erbauer dieser Berge durch die Errichtung einer Riesentreppe den Weg zum Gipfel erleichtern wollte.“ Will heißen: Der ganze Berg scheint aus Querbänder zu bestehen, er schichtet sich gen Himmel, oder in Adis Worten: Die geologischen Eigenheiten verhindern „eine für den extremen Kletterer wünschenswerte Wandbildung.“ Soll aber nicht heißen, dass es hier nicht trotzdem bombigen Fels en masse gibt, es ist nur eben anders strukturiert.

Ausdauerndes Mehrseillängen-Klettern in den Loferer Steinbergen, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Ausdauerndes Mehrseillängen-Klettern in den Loferer Steinbergen, Foto: Thomas Schöpf

Fakten zur „EndeNie“-Tour

Wer die EndeNie in den Loferer Steinbergen auf der Ticklist hat, sollte früh aufstehen. Und einen der seltenen, langen Sommertage ohne Gewitterneigung abpassen. 1,5 h Zustieg, 8 bis 10 h klettern, 3,5 h Abstieg, das ergibt in Summe gute 14 h Zeitaufwand.

Der Abstieg von der Route EndeNie, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Der Abstieg von der Route „EndeNie“, Foto: Thomas Schöpf

Ein ausgefüllter Tag, könnte man sagen, vor allem, weil die schwierigeren Seillängen (bis 7-) im oberen Drittel liegen, wo der Steinberg nochmal gut aufsteilt, der sogenannte „Loferer Bauch“ lässt grüßen. Freuen wird sich der Rotpunktaspirant auf die Seillänge Nr. 37, in der es, wie das Topo es benennt, „erst über Überhang, dann diffizile Wandstelle“ geht. Und so ganz taufrisch werden nach 1550 Klettermetern die wenigsten sein.

Der Felsen der Route EndeNie, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
38 Seillängen gilt es, auf der Route „EndeNie“ zu bezwingen, Foto: Thomas Schöpf

Das Gipfelglück der Loferer Steinberge

Panorama vom Gipfel der EndeNie-Route, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Gipfelpanorama am Ausstieg, Foto: Thomas Schöpf

Aber wenn man die Stelle dann gemeistert hat, dann heißt es statt EndeNie schon EndeBald, und mit dem sagenhaften Rundumblick vom Gipfel hat man eine der längsten durchgehend gebohrten Alpinkletterrouten der Nördlichen Kalkalpen in der Tasche. Vorausgesetzt, man hat es noch im Tageslicht bis ganz nach oben geschafft. Weil man dann in der Regel einen gesunden Hunger und auch so manchen Durst verspüren dürfte, wartet bequemerweise am Abstieg die Schmidt-Zabierow-Hütte mit Stärkungen und auch einem wohl ersehnten Bettenlager.

Die Schmidt-Zabierow-Hütte in den Loferer Steinbergen, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Die Schmidt-Zabierow-Hütte in den Loferer Steinbergen, Foto: Thomas Schöpf

Und sollte das Hochdruckgebiet auch am nächsten Tag noch in der Gegend verweilen, kann man ja von der Marathon- auf die Sprintdistanz und damit auch die Talseite wechseln: Auf der Loferer Steinplatte wartet eine gefühlt endlose Auswahl an genialen Sportkletterrouten. Mit Sicherheit ohne Querbänder darin.

Die Tourdaten auf einen Blick

EndeNie (7-), Loferer Steinberge, Tirol

  • 1600 Klettermeter, 38 Seillängen
  • Erstbegeher: A. Stocker, J. Simair und Gefährten (August 2001)
  • Schwierigkeit: 7- (einzelne Stellen), vielfach 5+ und 6
  • Absicherung: Durchgehend mit Bohrhaken (80 Standhaken, 118 Zwischensicherungen)
  • Beste Jahreszeit: Juli bis Oktober
Die Loferer Steinberge, Foto: Thomas Schöpf | Climbers Paradise
Die Loferer Steinberge, Foto: Thomas Schöpf

Literatur zu langen Touren

Wer gerne klettertechnische Marathons läuft, dem sei Adi Stockers Auswahlführer der ganz großen Klettereien in den Nördlichen Kalkalpen ans Herz gelegt: Longlines, Panico Alpinverlag, 1. Auflage 2014, 224 Seiten, 195 x 297 mm, Hardcover.

Für die Touren am fulminanten Kalkriff der Steinplatte gibt’s, ganz neu, den Alpinkletterführer Steinplatte mit Wiesloch, Wemeteigen, Sonnwandl, Loferer Alm und Klettergärten – das volle Programm. Erschienen im Panico Alpinverlag, 3. Auflage 2019, mehr als 370 Seiten.